Voices of Faith – Kamingespräche - Gleiche Würde, gleiche Rechte. Kirchenmänner denken nach

Voices of Faith – Kamingespräche

29. November 2020

Gleiche Würde, gleiche Rechte. Kirchenmänner denken nach

Chantal Götz: Einen schönen Advent euch allen. Voices of Faith Kamingespräche. Gleiche Würde, gleiche Rechte. Kirchenmänner denken nach. Christiane Florin sagte letzte Woche: „Ich freue mich auf dieses innovative Format, alleine unter Männern vor dem PC“. Ja, für Voices of Faith sicher ein ungewöhnliches Format. Sind wir doch sonst eine Plattform, die es katholischen Frauen ermöglicht, ihre Stimmen zu erheben. Aber wir nehmen war, dass auch viele Männer sich für gleiche Würde und gleiche Rechte von Frauen in der römisch-katholischen Kirche engagieren. Wir bringen sie nun miteinander ins Gespräch. Denn für wirkliche Veränderungen müssen sich Menschen zusammensetzen und ihre Visionen teilen. Damit sich die Handlungsräume öffnen. Wir machen einen Anfang im deutschsprachigen Raum und sind gespannt, was dies unter Männern und für eine zukunftsfähige Kirche bewegt. Unsere Gäste sind vielstimmig und kommen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Eine kleine Veränderung in unserer Gästeliste hat heute stattgefunden. Daniel Bogner lässt sich entschuldigen. Er hätte sich so gefreut, aber er lässt sich aus dringenden, persönlichen Gründen entschuldigen. 

Aber mich freut es sehr, Adrian Loretan hier begrüßen zu dürfen. Er ist Ordinarius für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht. Co-Direktor des interfakultären Zentrums für Religionsverfassungsrecht. Kurz einmal Recht der Kirche, dass andere Mal staatliches Recht über die Kirche und die Religionsgemeinschaften. Seine Forschungsschwerpunkte: die Würde der menschlichen Person und die daraus folgenden Menschenrechte. Grundrecht Religionsfreiheit im Kontext der Grundrechte. Demokratie in der Kirche. Frauen mit Leitungsfunktionen in der katholischen Kirche. Sexuelle Gewalt in der Kirche und der Klerikalismus. Herzlich Willkommen Adrian Loretan. 

Adrian Loretan: Guten Abend, freut mich hier sein zu dürfen. 

Chantal Götz:  Pater Godehard Brüntrup ist Mitglied des Jesuitenorden und Philosoph. Seit seiner Jugend waren Jesus und Sokrates für ihn Inspiration. Als Jesuit und Philosoph versucht er bis heute die Lebensweise dieser Leitfiguren in seinen eigenen Weg zu integrieren. Der Jesuitenorden hat sich das Ziel, Glaube und Gerechtigkeit gestellt. Die Rolle der Frauen in der Kirche ist für Pater Brüntrup eine Frage der Gerechtigkeit. Herzlich Willkommen Godehard Brüntrup. 

Godehard Brüntrup: Vielen Dank für die Einladung. 

Chantal Götz: Christ sein ist keine einfache Angelegenheit. Ausgehend vom Leben und Werk des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer gibt der Generalvikar des Bistums Essen Klaus Pfeffer in seinem Buch Impulse für ein Christsein in der Gegenwart und skizziert eine Zukunftsvision der christlichen Kirche. Bei Klaus Pfeffer dreht es sich um die große Frage, was das Christum oder auch wer Christus für uns heute eigentlich ist. In dieser Zukunft stellen Christen zwar nicht die Mehrheit der Gesellschaft, doch sie werden als interessante, kluge und humorvolle Gesprächspartner wahrgenommen. Sie treffen sich regelmäßig in Kirchenzentren zu Gesprächen und Gottesdiensten, die von ausgesprochen qualifizierten Geistlichen, Männern wie Frauen geleitet werden. Und Klaus Pfeffer in Zeiten von Corona, Männer und Frauen treffen sich nun auch virtuell am Kaminfeuer zu Beginn des neuen Kirchenjahres. Herzlich Willkommen Klaus Pfeffer. 

Klaus Pfeffer: Herzlichen Dank. Ich freue mich dabei zu sein. Danke schön. 

Chantal Götz: Daniel Kosch ist Generalsekretär Römisch-Katholischen Zentralkonferenz Schweiz , Zürich CH. Daniel Kosch kennt das duale System der katholischen Kirche in der Schweiz wie kein anderer. Als Generalsekretär der Röm. katholischen Zentralkonferenz wird er als kompetente Stimme in allen Kantonen sehr geschätzt. Er ist Verfasser unzähliger Schriften und versierter Theologe. Er lebt in Zürich, liebt die Berge und ohne Corona reist er an Ostern gerne nach Deutschland (Wangenroge) um dort die speziellen Osterfeiern zu geniessen. Er wurde von der RKZ delegiert um als Beobachter des Synodalen Wegs in Deutschland dabei zu sein. Herzlich Willkommen, Daniel Kosch!

Daniel Kosch: Vielen Dank.

Chantal Götz: Die Herren werden moderiert von Christiane Florin. Bei meiner Anfrage, ob sie dazu bereit wäre meinte sie, danke dass du an mich gedacht hast, an mir soll es nicht scheitern. Ich würde moderieren. Aber manche Männer nehmen dann Reißaus. Liebe Christiane, ich muss gestehen, alle unsere Gäste haben spontan und herzlich zugesagt. Das ist ein Vertrauensbeweis für Deine kompetente Arbeit aber auch für das Dranbleiben. Die katholische Kirche braucht Deine direkten, unverblümten Fragen. 

Jetzt legen wir los. Den heißen Wein oder den Glühwein, den Rotwein, den heißen Tee habt ihr dabei und lasst euch nun inspirieren von diesem Gespräch. Christiane, ich übergebe dir das Wort.

Christiane Florin: Vielen Dank für die Einladung und auch von mir herzlich Willkommen am digitalen Kamin. Frauen sind keine ganz neue Erfindung. Es gibt sie schon länger, als es die Kirche gibt. Es gibt sie schon länger, als es Bischöfe gibt. Und es gibt sie mindestens so lange, wie es Männer gibt. Und trotzdem sind Frauen immer noch Kopfzerbrechungsobjekte. Deshalb sitzen wir hier. Männer machen sich ihre Gedanken, was es mit den Weibern auf sich hat. Was sie dürfen und vor allem was sie nicht dürfen. Das beschäftigt auch immer wieder vatikanische Kommissionen. Es gab in den siebziger Jahren eine Bibelkommission unter Papst Paul des Sechsten, die sich schon mit den Fragen des Amtes für Frauen befasst hat. Die Antwort der Bibelkommission war zumindest nicht nein. Danach kam die Antwort der Glaubenskongregation, die war dann nein. Im Moment gibt es auch eine Diakoninnen- Möglichkeits- Kommission. Nach meiner Zählung ist es schon die dritte dieser Kommissionen in diesem Jahrtausend. Die Antwort der bisherigen Diakoninnen-Möglichkeits- kommissionen war zwar nicht nein, aber eben auch nicht ja. Frauen bekommen höchste himmlische Ehren. Maria sei wichtiger als alle Bischöfe zusammen, sagt Franziskus unermüdlich. Aber auf Erden ziehen Frauen in der katholischen Kirche eben nicht mit den Männern gleich. Eher im Gegenteil. Gleichberechtigung wird in Texten von Päpsten und Präfekten als Gleichmacherei verstanden. Es gibt da wunderbare Texte von Johannes Paul II und Josef Ratzinger. Frauen sind eben von einer anderen Wesensart als Männer und diese Andersartigkeit, diese behauptete Andersartigkeit, ist sehr folgenreich. Soweit also die zugegebenermaßen leicht subjektiv gefärbte Beschreibung der Ausgangslage. Ich bin natürlich nicht hier, um Weiberaufstands-Thesen an das Adventskalendertürchen zu nageln, sondern um Fragen zu stellen. 

Also ich bin jetzt die Frauenfrage in Persona und sie vier sind die Männerantwort. Sie vertreten unterschiedliche Disziplinen. Kirchenrecht, Philosophie, Theologie natürlich. Aber auch Kirchenhierarchie. Bevor wir in das Gespräch untereinander einsteigen wüsste ich gerne von jedem von Ihnen: wie lautet die Frauenfrage, wenn Sie die als Frage formulieren? In alphabetischer Reihenfolge würde Herr Brüntrup jetzt anfangen. Die Frauenfrage als Frage, wie heißt die?

Godehard Brüntrup: Sie meinen der Frauenfrage der katholischen Kirche?

Christiane Florin: Genau, dass was in der Katholischen Kirche als Frauenfrage bezeichnet wird. Wenn man das als Frage formuliert, wie würde dann die Frage heißen? Das ist ja so ein geflügeltes Wort. Die Frauenfrage ist die drängendste, die wichtigste. Die Schicksalsfrage dieser Kirche, heißt es ja manchmal. 

Godehard Brüntrup: Ich glaube auf theologischer Ebene ist es die Frage, wie man Inkarnation versteht und ob für die Inkarnation das Geschlecht irgendeine Rolle spielt. Slogan Mannwerdung oder Menschwerdung. Innerkirchlich ist die Frauenfrage eine eminente Gerechtigkeitsfrage. Weil natürlich die Hälfte oder mehr der aktiven Mitglieder der katholischen Kirche von entscheidenden Macht- und Einflusspositionen um das kirchliche Leben zu gestalten, ausgeschlossen sind. Das sind die beiden Aspekte. Also die Frage der Inkarnation, damit auch der Sakramentalität letztendlich des Weiheamtes.  Eine andere mehr soziologische, aber nicht weniger wichtige Frage nach der Gerechtigkeit. 

Christiane Florin: Herr Kosch, wie lautet die Frauenfrage für Sie?

Daniel Kosch: Für mich, ich würde sagen warum sind wir nicht weiter? Warum diskutieren wir immer noch Fragen, die ungefähr seit gefühlten 30 Jahren immer die gleichen sind und immer wiederkehren?

Christiane Florin: Herr Loretan?

Adrian Loretan: Ich würde gerne lehramtlich argumentieren. Hören Sie mich?

Christiane Florin: Ja, ich höre Sie.

Adrian Loretan: Guten Tag. Ich möchte zuerst natürlich die Präsidentin der Landeskirche der Schweiz, die oberste Katholikin begrüßen. Das gehört sich so in der Schweiz. Und auch die oberste Vertreterin der Landeskirche Zürich ist vertreten. Ich habe mit Weihbischof Henrici einmal ein Gespräch geführt und ihm gesagt, dass ist von den Katholiken, da sind immer die Frauen Präsidentinnen. Das gehört zum Schweizer Staatskirchenrecht. So viel. Das ist auch mein Thema. Aber kirchenrechtlich gesehen möchte ich lehramtlich argumentieren. Die oberste Autorität der römisch-katholischen Kirche hat festgelegt, es darf in der katholischen Kirche keine Ungleichheit auf Grund des Geschlechts geben (Lumen Gentium 32; Gaudium et spes 29; Nostra Aetate 5). Dann wurde das Diskriminierungsverbot auch im Gaudium et spes 29 aufgenommen. Es darf in der Kirche keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben, so GS 29. Das sind theologische Aussagen des obersten Lehramtes der katholischen Kirche. Nun hat ein gewisser Karl Rahner vor ein paar Jahren gesagt, das Konzil ist Makulatur, wenn das nicht rechtlich übersetzt wird. Das Konzil ist tatsächlich Makulatur, denn das Lehramt hat festgestellt, wir haben die Gleichstellung, wir haben das Diskriminierungsverbot. Aber es kann nicht rechtlich umgesetzt werden. In der Lex Ecclesiae Fundamentalis, also in dem Grundgesetz, dass für die Kirche vorgesehen war unter Paul VI, das hat Johannes Paul II versenkt. Und deshalb haben wir jetzt schöne, theologische Sätze, die leider schöne Sätze bleiben. , solange sie nicht rechtlich einklagbar sind.-.

Christiane Florin: Als Frage formuliert, was wäre das, warum ist das so, dass die Sätze, Sätze bleiben?

Adrian Loretan: Ja da würde ich eigentlich die Ehrendoktorin unserer theologischen Fakultät zitieren, Osnabrücker These Nummer drei von Margit Eckolt „Diskriminierung muss begründet werden, nicht die Zulassung zu den Ämtern“. Also rechtlich gesehen die Umkehrung der Begründung. Das ist der Punkt. 

Christiane Florin: Okay, aber wenn man die Diskriminierung begründen kann, dann ist sie okay? Das würde ja dann These heißen.

Adrian Loretan: Genau, aber man muss die Diskriminierung begründen können. Diskriminierung kann man ja nie begründen, weil, Diskriminierung ist ein Grundrecht. Es gibt kein Recht irgendeinen Menschen, einen Schwarzen, einen Brillenträger, einen Grauhaarigen oder was auch immer zu diskriminieren. Also deshalb ist es eigentlich klar, Diskriminierung kann nicht begründet werden. 

Christiane Florin: Dann müsste die These heißen, die Diskriminierung gehört abgeschafft und nicht muss begründet werden. Herr Pfeffer, die Frauenfrage als Frage?

Klaus Pfeffer: Ich beantworte die als ganz menschlich praktische Frage für mich. Wie kann es endlich gelingen, dass wir in der Kirche die männlichen Sonderwelten aufbrechen, in denen ich mich ja auch viel bewege. In den letzten Jahren vielleicht nochmal stärker als in der längsten Zeit meines beruflichen Wirkens. Weil ich viele Jahre in der Jugendarbeit tätig war. Da war diese Frage gar nicht so stark. Gerade in den Jugendverbänden erlebt man ja, dass es da sehr darum geht eine Geschlechtergerechtigkeit in der Besetzung von Ämtern und so weiter hinzubekommen. Und in meiner Tätigkeit jetzt in der kirchlichen Hierarchie erlebe ich in der Tat, dass ich viele Bereiche habe, wo ich nur unter Männern sitze. Ich bin dessen eigentlich müde. Weil ich glaube, dass das eine ziemliche Schräglage in unserer Kirche ist, die für eine Sonderwelt sorgt, die nicht guttut. Weder uns Männern und den Frauen schon gar nicht. 

Christaine Florin: Aber die Frage, die sich stellt, ist ja, warum ist das so? Wir reden seit mindestens 50 Jahren darüber .Im zweiten vatikanischen Konzil wurde Gleichberechtigung betont. Und trotzdem ist der Zustand wie er ist, der einer Diskriminierung. Auch wenn es einem als wahre Gleichberechtigung verkauft wird, ist es eine Diskriminierung, weil ein gruppenspezifisches Merkmal zum Ausschluss von einzelnen Personen benutzt wird. Das ist eigentlich die Definition von Diskriminierung. Da frage ich mal den Kirchenrechtler, Laien haben weniger Rechte als geweihte Männer. Wie sieht es denn innerhalb der Laien aus? Welche Rechte haben Frauen weniger als Männer? Klar, dass eine kennen wir alle, das ist, man hat nicht das Recht, dass die Berufung zur Priesterweihe geprüft wird. Gibt es da noch rechtliche Unterschiede?

Adrian Loretan: Grundsätzlich gehen verschiedene Kirchenrechtler davon aus, dass der entscheidende Unterschied, ich sage es mal bewusst, zwischen den Laien und den Klerikern besteht. Ich nenne es bewusst Lakaie. Ich weiß, Kardinal Yves Congar  hat das wunderschön aufgearbeitet, dass die Laien, das Volk Gottes,  alle gleiche Rechte und dass das alles theoretisch aufgenommen wurde. Das ist alles richtig. Nur wenn es zum geweihten Amt kommt, dann zählen ganz andere Kriterien. Also darum sage ich nicht 50 Prozent der Menschen in der Kirche werden diskriminiert, sondern 99,9 Prozent. Es werden alle diskriminiert, die nicht zölibatären Lebensstand haben. Das zeigt der Kodex selber ganz direkt. Kanon 277 redet vom Zölibat und 274 von der Macht in der Kirche. Im Kodex heißt das Jurisdiktion. Das zählt ausschließlich für den zölibatären Kleriker. Das zum einen. Von daher würde ich sagen, dass man sagt, die einen können noch wählen. Das ist der Unterschied. Männer können ja dann wählen, was sie leben wollen. Aber es sind nicht alle zum Doppelspiel geeignet. Wenn man weiß, dass zum Beispiel im amerikanischen Klerus 50 Prozent sich nicht an diese Voraussetzung, den Zölibat halten. In Europa ist natürlich alles besser. In Europa gibt es keine Dunkelziffer. Aber in Amerika gibt es Untersuchungen dazu. Und das waren natürlich die Voraussetzungen, dass in einem solchen System der Schwarzmarkt, also der sexuelle Missbrauch dann geradezu Konjunktur haben konnte. Von daher, wenn wir da nicht etwas ändern, verliert die katholische Kirche jeden Boden. Das ist ein bodenloses Geschäft. Da werden wir, wenn wir da nichts ändern und die Änderungen, die jetzt schon machbar sind im geltenden Rechtsrahmen. Wir haben ja Amtsträgerinnen der katholischen Kirche. Das haben wir jetzt, nach geltendem Recht, Kanon 228. Also wir können gemäß geltendem Recht Frauen in Ämtern einsetzten. Und da möchte ich der Deutschen Bischofskonferenz gratulieren. Die haben ja in den Ordinariaten eine Frauenquote von 30 Prozent eingeführt.

Christiane Florin: Ja, da möchte ich später noch drauf zu sprechen kommen auf diese Schritte. Ich würde erstmal gerne über das grundsätzliche Sprechen, um das zu verstehen. Wie sie ja alle gesagt haben, in einem Text stehen kann, es gilt die gleiche Würde, unabhängig vom Geschlecht, von Herkunft und so weiter. Und auf der anderen Seite doch eben ganz klar,  Frauen nicht dieselben Rechte haben. Herr Brüntrup, da geht es ja um die sogenannte Wesenswürde. Der Frau wird ein bestimmtes Wesen attestiert. Auch eine Bestimmung und aus dieser behaupteten Andersartigkeit folgen auch diese unterschiedlichen Rechte. Welche Bestimmung hat die Frau nach katholischer Lehre?

Godehard Brüntrup: Gut, da gibt es natürlich verschiedene Auffassungen. Aber ich versuche die Argumentationsfigur und ich sage gleich vorweg, das ist nicht meine. Ich referiere jetzt etwas. Damit ich nicht gleich die Aggressionen von allen auf mich ziehe. Die Argumentationsfigur ist die folgende: Es ist nicht die biologische Natur, die die Frau vom Priestertum ausschließt. Sondern es gibt eine Art metaphysische, es gibt eine Art Geschlechtermetaphysik. Es gibt ein männliches Prinzip und ein weibliches Prinzip. So wie in der chinesischen Philosophie Ying und Yang. Diese metaphysische Natur wird manchmal auch phänomenologisch gedeutet, dass der Mann nicht nur den verschiedenen biologischen Körper, sondern eine andere Leiblichkeit hat. Oder andere sagen tatsächlich ein anderes Wesen. Und dass das im Inkarnationsprozess berücksichtigt werden muss. Der Inkarnationsprozess war in einem Wesen mit dieser männlichen Natur. Von daher kann der sakramentale Stellvertreter nur von derselben Art sein. Von daher, nach der Argumentationsfigur ist es auch keine Diskriminierung, weil, man kann niemanden von etwas ausschließen, was er von metaphysischer Notwendigkeit niemals haben kann. Die Frau ist nach dieser Auffassung einfach ungeeignet zum Priestertum, metaphysisch ungeeignet. Von daher nimmt man ihr auch nichts weg, wenn man es ihr nicht gibt. Sie könnte es nicht empfangen. Diese gesamte Argumentationsfigur leidet natürlich unter dieser völlig unklaren Idee einer metaphysischen Natur der Männlichkeit. Ich kann das nicht verstehen, ich kann es nicht nachvollziehen. Ich habe keine Argumentation dafür gefunden, die außer Begriffsdichtung für mich irgendein nachvollziehbares Argument vorlegen würde, dass es diese Natur geben würde. Aber nähmen wir an, es gäbe sie, dann ist sie ja offensichtlich, das ist die Pointe, losgelöst von der physischen Natur. Diese metaphysische Natur des männlichen ist losgelöst. Die wollen ja keine Biologisten sein, die das vertreten, losgelöst von der biologischen Natur. Dann muss man eigentlich sagen, selbst wenn man ihnen Recht gäbe, es gäbe diese Natur und sie ist losgelöst von der biologischen Natur, warum sollten nicht dieses männliche metaphysische Prinzip dann auch von Frauen vertreten werden können? Wenn das biologische keine Rolle spielt und wir hier über eine metaphysische Natur reden, dann können auch die Frauen das haben. Also läuft es im Endeffekt trotz aller Beteuerung doch auf einen reinen Biologismus hinaus. Was einer der Bischöfe, können Sie mir Helfen Herr Pfeffer, de gesagt hat, er kann es nicht verstehen, dass der Chromosomenunterschied nachher entscheiden soll, wer geweiht werden soll oder nicht. Im Endeffekt läuft es leider darauf hinaus. Und damit mache ich mal Schluss.

Christiane Florin: Ja, das war Bischof Overbeck in der Bildzeitung. Ich hatte heute ein bisschen spöttisch auf Facebook angekündigt, nach Lektüre eines Textes gestern in der FAZ, es müsste ja eigentlich dann nach dieser Sichtweise im Johannes Evangelium heißen: und das Wort ist Phallus geworden. Wenn man es biologisch betrachtet. 

Herr Kosch, vor ziemlich genau 30 Jahren, am 27. November 1990 wurde das Frauenwahlrecht auch in Appenzell Innerrhoden dann endlich mal eingeführt. Das war der letzte Schweizer Kanton. Manche Argumente waren dafür, dass Frauen nicht wählen sollten, die ähneln ja denen, die vorhin Professor Brüntrup genannt hat. Es gibt irgendetwas anderes bei den Frauen und deshalb ist es nicht gut, dass sie bei der Politik mitmischen, dass die wählen dürfen und so weiter. So ähnlich wird ja eben heute auch und damals hat sich das gewandelt - vor 30 Jahren immerhin. Warum meinen Sie, akzeptieren Menschen bis heute einen Ausschluss, den sie im Staat, jedenfalls in einem demokratischen Staat nicht akzeptieren würden? 

Daniel Kosch: Ja gut, ich meine,  das hat wahrscheinlich schon sehr viel mit Prägungen zu tun, die die Menschen mitnehmen. Wenn man sagt, die Menschen akzeptieren das, dann stellt sich ein wenig die Frage, wer ist denn das ganz genau, der das noch akzeptiert? Sind es nicht vielmehr einfach Menschen, die das in Kauf nehmen und das je länger, je weniger. Um ein bisschen näher zu kommen an die Gegenwart als das Beispiel von Appenzell möchte ich daran erinnern, dass wir auch in Schweizer Kantonen auch heute noch Kantonsregierungen haben, Regierungen von Bundesländern, die aus lauter Männern bestehen und das wird auch akzeptiert. Offenbar schaffen es auch dort die stimmberechtigten Frauen nicht, dass Frauen in diese Ämter kommen in einer anständigen Zahl. Wenn schon eine oder zwei von fünf dabei sind, dann ist man eigentlich schon zufrieden. Ich glaube es gibt ganz viele Ebenen, von der kulturellen Prägung, von Traditionen, die immer noch bestehen in der Gesellschaft. Und dann eben auch innerhalb der Kirche die Bereitschaft nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in vielen anderen Sachen irgendwie hinzunehmen und zu sagen, ja, es ist zwar nicht gut, aber wir stehen trotzdem für etwas Wichtiges und Gutes ein. Und deshalb machen wir trotzdem weiter. Hier ist natürlich jetzt die Zusammensetzung unserer Runde ein bisschen schwierig, weil es nicht so klar ist, warum Frauen das akzeptieren. Also die Präsidentin des Schweizer katholischen Frauenbundes, die heute auch zuhört und die erwartet, was unsere Bischöfe die morgen zusammentreten in der Schweiz, diskutieren werden, hat jetzt gesagt, in drei bis fünf Jahren sind diese Frauen, die jetzt ein Referendum wollen alle weg, wenn jetzt nicht etwas passiert. Ich weiß es nicht. 

Christiane Florin: Um nochmal Klarheit in der Runde zu schaffen. Also Sie haben das jetzt sehr, alles was das lehramtliche betrifft, sehr distanziert geschildert. Aber das ist ja das, was in der Katholischen Kirche gilt. Was eigentlich jeder, der katholisch ist, (Tonstörung) also gibt es jemanden , der sagt, dass diese metaphysischen Natur richtig ist, der sich mit dieser Auffassung identifiziert, von Ihnen vier?

Adrian Loretan: Ich würde vielleicht gerne da einsteigen. Man muss sich daran erinnern, dass ja die Frauen ausgeschlossen wurden. Zum Beispiel ein Thomas von Aquin hat die Frauen ausgeschlossen, weil er mit Aristoteles selbstverständlich davon ausging, dass Frauen nicht auf dem gleichen Niveau denken können. Das waren Voraussetzungen bis in die Biologie hinein, die bis weit in das zwanzigste Jahrhundert galten. Dann aber, als man entdeckt hat und jetzt auf den Universitäten merkt, die besseren Studierenden sind häufig weiblich. Dann, als man das entdeckt hat, hat man gemerkt, jetzt muss man ganz neue Argumente bringen. Das war ja das spannendste, dass diese neuen metaphysischen, all die netten Argumente, dass die Apostel nur männlich gewesen wären, was inzwischen sogar Franziskus durchbricht mit Maria Magdalena, wo es einen eigenen Feiertag gibt im liturgischen Kalender. Aber dann hat man ganz andere Argumente erst aufgezeigt. Die Amerikanische Theologengesellschaft hat schon die Argumente die 76 und dann vor allem mit Inter Insigniores gekommen sind, aufgezeigt. Das sind alles neue Versuche, um die alte Ordnung aufrecht zu erhalten. Man konnte sich einen Wechsel nicht vorstellen. Und da schwingt natürlich mit, ich meine in Appenzell, es gibt einen sehr schönen Schweizer Film, der hat ein katholisches Argument. Die Frauen dürfen nicht stimmen, weil, das ist göttliche Ordnung.

Christiane Florin: Göttliche Ordnung, ja, wunderbar. 

Adrian Loretan: Göttliche Ordnung. Das ist ein wunderschöner Schweizer Film, den ich Ihnen nur empfehlen kann.  (Christiane Florin: Kennen wir.) Aber das Wort göttliche Ordnung hat auch König Louis XIV verwendet, um seine königliche Macht zu legitimieren. Das ist göttliche Ordnung. Ihr dürft die Monarchie nicht abschaffen, weil ich als König bin aus göttlicher Ordnung. Und jetzt ist das auch eine göttliche Ordnung, dass man die Weiheordnung so nicht verändern kann. Das ist immer das Argument, wenn man gar nichts mehr weiß, dann kommt die göttliche Ordnung. Gott wird dann zum Garanten der Ungerechtigkeit. Das ist Tradition.

Christiane Florin: Ja, aber alle distanzieren sich. Bei meiner Frage, wer identifiziert sich damit, da herrschte jetzt erstmal Schweigen. Hatte ich jetzt eigentlich auch damit gerechnet, dass keiner von Ihnen aufzeigt und sagt, ja ich. Aber trotzdem gilt es ja. 

Herr Pfeffer, beim synodalen Weg, da heißt ja das Thema mit der Frauenfrage nicht gleiche Würde, gleiche Rechte, wie jetzt hier unser Abend. Sondern das heißt Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche. Also ist Gleichberechtigung bischöflichen Seelen nicht zuzumuten? Oder ein Titel wie Ende der Diskriminierung? Wird dann die bischöfliche Seele verletzt oder warum nennt man das nicht beim Namen?

Klaus Pfeffer: Keine Ahnung, aber die Diskussion beim synodalen Weg zeigen ja wie fast gespalten Teile in der katholischen Kirche sind. Also natürlich meldet sich jetzt aus unserer Viererrunde keiner, der sagt, ja klar, ich sehe das auch so. Also für mich ist das ein völlig fremdes Denken. Aber es gibt halt in der katholischen Kirche, vielleicht ausgeprägt unter Amtsträgern, aber ich vermute mal in manch anderen Ländern vielleicht auch andere, die dieses Denken, auch die Konzentration des männlichen Geschlechts auf die Ämter in der katholischen Kirche für völlig selbstverständlich halten. Für die da etwas Existenzielles dahintersteckt, weil sie das tatsächlich irgendwie mit Offenbarung, Gottes Willen und sonst was identifizieren. Und ich glaube das zeigt sich jetzt auch bei dem synodalen Weg, wo gerade diese Fragen ja auch unglaublich kontrovers diskutiert werden. Das zeigt mir, wie wahnsinnig schwer es ist, in dieser katholischen Kirche hier tatsächlich zu einer Veränderung zu kommen. Weil da wirklich sehr grundverschiedene Auffassungen aufeinanderprallen. Und das was Herr Brüntrup vorhin geschildert hat, diese metaphysischen Gedanken, sind einerseits ja irgendwie so absurd oder ich habe das nicht gelesen, was in der FAZ stand. Aber alleine das, was ich irgendwo an Zitaten daraus gehört habe, klingt ja auch sehr fremdartig. Gleichzeitig stehen da offensichtlich Leute existenziell dahinter und glauben allen Ernstes, dass sei vom Herrn selbst offenbart. Also das ist schon irre, was da an Gegensätzlichkeit ist und zeigt, in welcher Zerreißprobe die katholische Kirche momentan auch steckt.

Daniel Kosch: Aber ich denke, man muss sich schon bewusst sein, natürlich ist das jetzt heute Abend unsere Frage. Aber wir haben doch in der katholischen Kirche noch viele andere Bereiche, wo es letztlich ganz ähnlich läuft. Nehmen wir nur mal den Bereich der Sexualität und des Zusammenlebens von Paaren und so weiter. Ich war kürzlich an einer Hochzeit und da hat sich der Priester, der das Paar getraut hat, hat ganz lobend erwähnt, dass sie ja schon eine Zeitlang zusammen leben und dass sie schon alles ausprobiert hätten. Und dass das wunderbar sei, deshalb seien die Voraussetzungen gut. Wenn er jetzt lehramtlich argumentiert hätte, hätte er sagen müssen, ihr habt jahrelang im Konkubinat gelebt, es war all das verboten und so weiter. Und bevor ihr das nicht alles bereut und zurücknehmt, kann ich euch eigentlich gar nicht trauen. Also da kann das Kirchenrecht sich nicht mehr durchsetzen. Diese Bereiche, von denen wir heute sprechen, mit der Gleichberechtigung von Frauen in kirchlichen Funktionen, dass ist einer der ganz wenigen Bereiche, wo die katholische Kirche noch, weil es letztlich um ihre Angestellten und Beauftragten geht, dort kann sie das noch durchdrücken. Und an vielen anderen Orten haben wir uns längst mit diesen Schizophrenien abgefunden und sagen, das ist halt noch so,  das wird wiederholt. Aber die Plausibilitäten sind heute anders und wir haben uns irgendwie damit versöhnt. Deshalb, das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass es so schwierig ist, etwas zu verändern. Dass wir in ganz, ganz vielen Bereichen mit diesen Schizophrenien leben und dass natürlich auch die Verantwortlichen in der Kirchenleitung, Adrian Loretan hat das vorhin angesprochen, auch damit leben wir seit Jahrzehnten. Dass sie wissen, dass viele ihrer Beauftragten erstens diese Auffassung nicht mehr teilen und zweitens auch andere Pflichten, die mit ihrem Amt verbunden sind,  nicht mehr einhalten. Wir haben uns sehr stark an das gewöhnt, mit diesen Wiedersprüchen zu leben. Ich denke, das ist eine der Schwierigkeiten jetzt hier wirklich den Ausweg zu finden. 

Christiane Florin: Ich würde nochmal gerne etwas Ursachenforschung betreiben und doch nochmal auf das Thema Frauen zurückkommen. Herr Loretan hat es vorhin gesagt, jahrhundertelang war das zentrale Argument für die Nichtgleichberechtigung von Frauen, dass Frauen irgendwie missratene Männer sind. Dass sie nicht so gottesebenbildlich sind wie der Mann. Dann wurden die Argumente eigentlich erst in den 1970gern erfunden, die bis heute unablässig wiederholt werden, Jesus war ein Mann, die Apostel waren Männer, war schon immer so. Priester verkörpern in Persona Christi und auch die Geschlechtlichkeit, und so weiter und sofort. Wieviel wirkt denn heute von dieser angeblich abgeschafften Vorstellung, dass Frauen minderwertig sind, von dieser Misogynie, wieviel wirkt den heute davon noch nach? Wenn Sie mal so Kleriker Unterhaltungen revuepassieren lassen, ist das einfach weg oder wird das einfach nur nicht mehr öffentlich gesagt? Die Kleriker unter Ihnen.

Klaus Pfeffer: Ich kann gerne etwas dazu sagen. Ich glaube, das ist nicht nur ein Kleriker Problem. Ich wage die Behauptung, dass da uns allen diese Jahrhunderte oder Jahrtausende alte Prägung irgendwie kulturell in den Knochen steckt. Natürlich erlebe ich, also wenn Männer unter sich sind, dass da manchmal zotenartig geredet wird oder subtil unbewusst sowas daherkommt, naja, wir sind es eigentlich. Also ohne, dass man das jetzt, es ist etwas sehr Unbewusstes. Ich glaube, wenn ich das jetzt hier so sage, würden vermutlich diejenigen Männer, die mit mir zusammenarbeiten sagen, nein, das stimmt doch nicht, bei uns doch nicht. Aber ich erlebe es ja in Gremien, wenn nur Männer unter sich sind, reden wir anders, als wenn Frauen dabei sind. Das ist hochinteressant. Das ist nicht nur ein Kleriker Problem. Bei Klerikern sind noch ganz andere Dinge glaube ich sehr wirksam. Tatsächlich dieses Gefühl, wir sind, irgendwie was Besseres, wenn das Konzil von der Wesensverschiedenheit des geweihten Menschen oder Mannes spricht. Natürlich prägt sich das aus. Ob wir wollen oder nicht. Wenn uns das so über Jahrzehnte oder Jahrhunderte irgendwie in Fleisch und Blut übergeht, dann muss man sich nichts vormachen, dass das unbewusst irgendwie wirkt. Und das nimmt man ja auch wahr. Aber ich fände es mal sehr interessant, wenn wir Männer das ehrlich reflektieren, wie sich das manchmal so ausprägt, wenn wir nur unter uns sind. Und ich finde, es gibt in der katholischen Kirche noch sehr, sehr viele Gremien, die nur mit Männern besetzt sind. Ich finde dafür, bei uns alleine in meinem eigenen Bistum, in meiner eigenen Organisation enorm schwierig, das aufzubrechen. Wir haben ja einen Kirchensteuerrat, in dem nur zwei Frauen sitzen und ansonsten irgendwie 18 oder 20 Männer. Die sind frei gewählt und das ist total schwierig da, ich weiß nicht, woran es liegt. Ob es schwer ist Frauen zu motivieren, oder ob es irgendwie so einen Automatismus gibt, das ist Männersache? 

Godehard Brüntrup: Ich glaube, dass die Vergangenheit wie Sie beschrieben haben, dass Frauen als intellektuell minderwertig betrachtet wurden und von daher zu bestimmten gesellschaftlichen Funktionen, also auch des Wählens zum Beispiel nicht zugelassen wurden. Dass es nicht einmal primär darauf ankommt, dass die jetzt aktuell noch in unseren Köpfen herumspukt. Dass wir insgeheim dasselbe denken, es nur öffentlich nicht sagen. Ich glaube, das ist gar nicht mal so verbreitet. Ein bisschen vielleicht schon. Aber es wirkt natürlich in einer Offenbarungsreligion auf andere Weise. Weil eine Offenbarungsreligion sich nicht einfach neu erfinden kann. Etwas, was man zweitausend Jahre so gemacht hat, hat durch die bloße Tatsache, dass man es so gemacht hat plötzlich eine gewisse normative Kraft. So lesen Sie auch in vatikanischen Dokumenten immer das Argument, das machen wir doch schon seit zweitausend Jahren so. Da würde man philosophisch sagen, das faktische hat keine normative Kraft.  Bloße Fakten, wir haben das so gemacht, begründen keine Normen. Aber es ist bei einer Offenbarungsreligion, die sich auf eine historische Offenbarung beruft, natürlich ein bisschen schwierig. Da hat das Argument, dass Jesus keine Apostel oder dass beim Abendmahl nur Männer dabei gewesen sind, warum? Obwohl er doch sonst so offen zu Frauen war. Warum hat er das gemacht? Auch hier würde ich sagen, die bloße Tatsache, dass er das getan hat, hat keine normative Kraft. Aus Tatsachen kann man keine Normen ableiten. Es sei denn, man hätte einen Text, wo er sagt, ich will das so auf immer. Aber den hat man nicht. Daraus könnte man eine Norm ableiten. Aber oft wird so getan, als könnte man aus einer Offenbarungsreligion aus bloßen Tatsachen Normen ableiten. Da muss ich aber als Philosoph dazwischengehen und sagen, das ist selbst in einer Offenbarungsreligion nicht der Fall.

Adrian Loretan: Da würde ich gerne anknüpfen. Ja, ich bin sehr dankbar für dieses Argument, eben dass man aus den Fakten nicht direkt Normen ableiten kann. In der ganzen naturrechtlichen Argumentation hat man ja gesagt, Sklaven und Frauen, diese Reihenfolge, die haben nicht volle Rechte. Und die katholische Kirche hat selbstverständlich auch über Jahrhunderte, eine ganze Generation, vertreten, dass es Sklaverei geben darf. Immer weiter hat man das eingeschränkt. Die Sklaven wurden in der katholischen Kirche Galater drei, 28 wurde dann sogar in die Klöster aufgenommen. Wenn ein Sklave eintritt, dann kann er den Sklavenstand aufgeben. Das wurde sogar denkbar. Aber hier das Naturrecht hat eben lange argumentiert, dass Sklaven und Frauen ausgeschossen sind. Das war ja im verfassungsgebenden Prozess selbstverständlich, dass für die Französische Revolution selbstverständlich Frauen nicht zugelassen wurden. Die Dame (Olymp de Gouges) die damals für die Frauenrechte gekämpft hat, endete auf dem Schafott. Heute haben sie zwar in Paris eine Straße nach ihr benannt. Aber die hat damals auch in der Französischen Revolution aufgrund dieser Denktradition keine Stimme gehabt. Aber das interessante ist ja, dass die katholische Kirche selber unter Naturrecht, sie haben das eigentlich wörtlich zitiert. gemäss Pius XII: Gleiche Würde und daraus folgende Rechte. Jetzt geht die Naturrechtstradition eigentlich in die moderne Menschenrechtstradition über. Und die katholische Kirche ist nach außen eine der weltweit größten Vertreterinnen der Menschenrechte. Hier muss man eigentlich sagen, das ist eine große Leistung. Ausgerechnet ein Jude, der selber davon nicht profitiert, ein amerikanischer Rechtsprofessor in Harvard, Christian human Rights, Samuel Moyn betont, dass eben gerade dieses Zitat von Pius dem Zwölften die Juden gemeint hat, obwohl er sie nicht namentlich erwähnt hat. Weil gleiche Würde und daraus folgende Rechte, das hat zur Konsequenz, das gilt jetzt auch für die Juden. Die SS hat nach dieser Weihnachtsansprache sofort reagiert und hat gesagt, das ist eine Frechheit, diese Katholiken mischen sich in innerdeutsche Angelegenheiten ein und die nationale Souveränität würde hier in Frage gestellt. Also wenn man gleiche Würde und gleiche Rechte zusammendrängt, was die katholische Kirche nach außen tut, dann hat das natürlich zur Konsequenz, dass man das nach Innen nicht auch umsetzen muss? Da stehen wir jetzt mitten in dem Dilemma, dass die katholische Kirche nach außen etwas predigt, was sie nach innen aus irgendwelchen abstrusen Theologien versucht nicht umsetzen zu müssen. 

Christiane Florin: Als ich die Theologin Julia Knop in einer Sendung gefragt habe, wie würden sie die Frauenfrage als Frage formulieren, da hat sie gesagt: gelten Grundrechte auch in der katholischen Kirche? An dem Punkt sind wir ja jetzt genau.

Adrian Loretan: Genau.

Christiane Florin: Genau, so das würde ja bedeuten, die Lehre muss sich ändern. Die Lehre und das Kirchenrecht müssten sich ändern. Jetzt ist meine, nicht sehr kühne Prognose, das wird sich aber ja nicht ändern. Weil das so ist, sagen ja die optimistischeren Naturen, naja, dann versuchen wir es mal mit kleineren Schritten. Wenn man sich vorstellt, vor 50 Jahren, ich habe gerade noch einen Emma Artikel in der Hand gehalten aus dem Jahr 1980, da ging der Streit um die Messdienerinnen. Da hat der Vatikan noch gesagt, Messdienerinnen gibt es nicht. Jetzt gibt es Messdienerinnen, es gibt Pastoralreferentinnen, es gibt Theologieprofessorinnen und so weiter und es gibt, wurde eben schon erwähnt, Frauen in Leitungspositionen in Deutschland und der Schweiz. Führen diese kleinen Schritte zum Ziel der Gleichberechtigung? Eine Frage an die ganze Runde.

Klaus Pfeffer: Ich kann gerne was dazu sagen. Ich glaube anders wird es nicht gehen. Also ich kann mir nicht vorstellen, ich bin da auch pessimistisch, wie sich die Lehre jetzt in kürzester Zeit ändern sollte. Keiner von uns hat die Macht, irgendwie die jetzt davon zu überzeugen. Weil das auch wiederum in rein Kleriker-Konzilen  auf höchsten Eben entwickelt wird. Ich glaube es war in der Kirchengeschichte doch immer so, dass sich die Lehre meist nachträglich entwickelt, verändert hat, wenn sich in der Praxis längst andere Dinge entwickelt haben. So blöd wie sich das anhört. Alleine diese Ministrantinnen -Frage ist da irgendwie ja ein brillantes Beispiel. Wie lange hat man daran festgehalten, dass das ja eigentlich gar nicht sein darf. Obwohl längst schon ganz andere Praxis da war. Ich glaube, es geht ja vor allem auch um das Verständnis des Amtes in der katholischen Kirche, dass es ja längst dabei ist, sich zu verändern. Schon alleine dadurch, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen krass, dass es in der Praxis vor Ort immer unwichtiger wird. Das klingt jetzt sehr paradox und sehr provokant für manche innerhalb der Kirche. Aber die Tatsache, dass wir ja kaum noch Priester haben, die wir dann, wenn ich an mein Bistum denke, wir haben große Schwierigkeiten demnächst wirklich alle Pfarreien mit Pfarrern zu besetzten. Dann werden jetzt irgendwelche Konstruktionen, neue Leitungsmodelle konstruiert. Man bastelt irgendetwas drumherum, um, irgendwie auf der einen Seite auf dem Papier dem Kirchenrecht gerecht zu bleiben. Aber gleichzeitig, entwickelt sich schon ein ganz anderes Modell, wie Kirche, wie Gemeinde, wie sie geleitet wird, wie sie lebt. Von daher wird das, Schritt für Schritt nicht aufzuhalten sein. Ich finde nur wichtig, dass darüber gesprochen werden muss. Dass, diese Dinge, diese Paradoxien und Widersprüchlichkeiten nicht weiter im Tabu bleiben, sondern eben auch ausgesprochen werden. Mir hat hier im Bistum mal jemand gesagt, wenn wir die Priester in manchen Gemeinden nicht hätten, dann ginge manches viel einfacher und leichter. Weil sich viele auch mit Amtsträgern extrem schwertun. Dass solche Dinge mal gesagt werden, das finde ich, ist schon ein wichtiger Schritt, um tatsächlich da mal vielleicht doch ein paar Schritte weiterzukommen. 

Godehard Brüntrup: Wenn ich vielleicht auch was dazu sagen darf. Ich glaube, der Punkt von kleinen Schritten und Hinhaltetaktik, den haben wir jetzt überschritten. Karl Rahner hat vor 40 Jahren gesagt, dass die katholische Kirche die Frauenfrage innerhalb der nächsten 100 Jahre lösen muss, oder die katholische Kirche so nicht mehr existieren wird. Von dieser Zeit ist jetzt schon fast die Hälfte vorbei. Die Situation wird sich dramatisch zuspitzen nach meiner Ansicht. Dass die Ungleichzeitigkeit der katholischen Kirche in den modernen Gesellschaften der sogenannten ersten Welt, aber dann zunehmend auch anderswo, so ungeheuerlich sein wird, dass die bisher auch wohlwollenden Frauen in Scharen sich abwenden werden. Wenn man sich vor Ort anguckt, wer denn das Gemeindeleben trägt und wer die Arbeit macht, dann ist das ja ungleich verteilt. Da sind die Frauen diejenigen, die die meiste Arbeit tun. Entweder das wird dramatische Konsequenzen haben oder es kommt zu einer wirklich disruptiven Veränderung. Dass man in der Frage, in einer Weise, die man oft nicht ahnt. Es geht dann oft sehr schnell. Wie beim Mauerfall der DDR im Rahmen einer disruptiven Veränderung plötzlich dann doch einen großen Schritt macht. Das wird aber nicht einfach sein, weil es dann sicherlich eine kleinere Gruppe gibt, dies ich dann schismatisch abwenden wird, da machen wir nicht mit. Es ist in jedem Fall ein dramatischer Prozess, der schwierig wird. Es wird ein extrem aufregendes Jahrhundert für die katholische Kirche. Das wage ich vorherzusagen. Einfach peu a peu weitermachen mit kleinen Reformen wird uns nicht durch dieses Jahrhundert steuern.

Christiane Florin: Sondern eine Veränderung der Lehre, zum Beispiel? 

Godehard Brüntrup: Ich glaube es muss in der Frage, die wir hier besprechen, zu einer deutlichen Veränderung der Lehre kommen. Wenn die katholische Kirche sich nicht in eine völlige Ungleichzeitigkeit mit der sie umgebenden Kultur begeben will, die die Botschaft, die sie eigentlich verkünden will, vollkommen verdunkelt. 

Adrian Loretan: Ich stimme dem bisher gesagten zu. Aber ich würde hier trotzdem mit Ruth Bader Ginsburg, der amerikanischen Richterin am Supreme Court sagen, die kleinen Schritte sind trotzdem wichtig. Ohne das vorhergehende zu hinterfragen. Weil, ich befinde mich zum Beispiel in der Situation, dass ich junge Menschen, junge Frauen auch dazu ermuntern soll, geht in diese jetzige katholische Kirche arbeiten! Ich muss ihnen mindestens Elemente zeigen, wo es kleine Schritte gibt. Wir haben Amtsträgerinnen in der katholischen Kirche, wir haben Gemeindeleiterinnen. Die meisten Gemeinden werden in der katholischen Kirche in Zukunft von Frauen geleitet werden. Aber das ist nur in den Bistümern möglich, wo eben...das Kirchenrecht ist nicht ein Block, der vom Himmel fällt. Jeder Rechtstext, jeder Bibeltext ist interpretationsbedürftig. Und man sollte die ganzen Interpretationen nicht einfach rechts außen alles überlassen. Sie haben vorher die Frage gestellt, gibt es Grundrechte in der katholischen Kirche? Das ist für mich eine der zentralen Forschungsfragen des Kirchenrechts überhaupt. Der Kirchenrechtswissenschaft. Ich meine, der nächste Punkt, wenn die Grundrechte in der katholischen Kirche nicht durgesetzt werden könnten, dann müssen die Grundrechte im staatlichen Recht durchgesetzt werden. Jetzt werde ich etwas deutlich Schweizerischer. Weil, in Deutschland ist es extrem schwierig. Da ist das Selbstbestimmungsrecht in der Verfassung geschrieben. Aber in anderen Ländern, ich bin zum Beispiel mit einem jüdischen Kollegen in den USA im Gespräch, einem jüdischen Juristen, wo wir genau diese Frage diskutieren. Wir müssen Grundrechte gegenüber den Religionsgemeinschaften in den staatlichen Rechten durchsetzen. Denn der Staat kann nicht öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften anerkennen und quasi die Diskriminierung nicht nur positiv tolerieren, sondern das sogar noch fördern. Da muss der Staat nun auch herangezogen werden. Da gibt es erste, auch juristische Aufsätze dafür. Ich denke hier nur an zwei klassische Juristinnen, Eva Maria Belser1) aus Freiburg in einer neuesten Publikation 2020 oder Denise Buser 2), die ist theologisch weniger stark, aber juristisch ist die ganz klar. Auf der Ebene werden wir auch diskutieren müssen. Man muss die Kirche heraufordern, dass sie nicht die ethische Instanz der Zukunft ist. Sie hat ja die Minimalanforderungen.. einer normalen Institution der Verfassung leistet sie nicht. Sie kann keine Ethikinstanz sein. Sondern, das muss man ihr deutlich vor Augen führen.

1)Prof. Belser, Die Religionsfreiheit und das Verbot der Geschlechterdiskiriminierung. Vom Umgang des Staats mit Religionsgemeinschaften, die Frauen von Ämtern ausschliessen, und anderen Grundrechtskollisionen, in: René Pahud de Mortanges (Hrsg) Staat und Religion i n der Schweiz des 21. Jahrhunderts, Zürich 2020, 381-420)

2) Prof. Denise Buser, Die unheilige Diskriminierung. Eine juristische Auslegeordnung für die Interessenabwägung zwischen Geschlechtergleichstellung und Religionsfreiheit beim Zugang zu den Leitungsämtern, Wien Zürich 2014, Bd 16 Religionsrecht im Dialog Bd.25 dasselbe in englischer Sprache übersetzt

Christiane Florin: Herr Kosch, ist das in der Schweiz leichter als in Deutschland, weil in der Schweiz das Staats-Kirchen-Verhältnis ein anderes ist? Wäre es da leichter zu sagen, es kann nicht sein, dass eine Religionsgemeinschaft, es kann nicht sein, dass die katholische Kirche Frauen diskriminiert?

Daniel Kosch: Also ob es leichter ist oder nicht so leicht, das könnte man lange diskutieren, weil natürlich hängt diese Argumentation, die Herr Loretan jetzt da vorgeführt hat, die hängt daran, dass die Kirche öffentlich-rechtlich anerkannt ist. Wenn sie sich aus diesem Körperschaftsstatus in das Privatrecht zurückzieht, dann kann sie die Frauen diskriminieren, solange sie will, solange sie sich im Rahmen des staatlichen Rechts bewegt. Aber dann kann man keine Priesterweihe von Frauen nach staatlichem Recht durchsetzen. Ich bin politisch für die Schweizerinnen und Schweizer ganz klar der Meinung, wir täten der Zukunft der Kirche keinen Gefallen, wenn wir die Kirche quasi privatisieren würden. Weil sonst können wir ja das System nicht aufrechterhalten. Aber ich möchte etwas anderes sagen, etwas Positives, das es bei uns gibt. Was vielleicht auch interessant ist, auch im Blick auf den synodalen Weg in Deutschland, wo es ja nicht nur um die Frauen geht, sondern auch um das Machthema. Wir haben mit den Körperschaften demokratische Strukturen, wo die Frauen wirklich gleichberechtigt sind. Wo auch wichtige Entscheidungen gefällt werden. Wo über die Verwendung der Kirchensteuern entschieden wird. Das führt zu diesem berühmten dualen System. Also mit zwei Strukturen nebeneinander. Das ist eine Form, weil die Bischöfe das ja auch anerkennen, dass das so sein darf und sein soll. Das ist eine Form, die Menschenrechte mindestens mal in einen bestimmten Teil des kirchlichen Lebens voll zur Geltung bringt. Also in der römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich oder  der Landeskirche Luzern, da kann man die Diskriminierung einklagen. Das ist ganz klar. Da gilt das wirklich Gleiche, wie im Staat. Das sind wichtige Entscheidungen, die dort gefällt werden, vor allem finanzielle. Aber auch, diese Leute stellen die Leute zivilrechtlich, also staatsrechtlich an und so weiter. Sie haben den Einfluss auf das Personal, auf das Geld, auf die Liegenschaften. Da sind die Menschenrechte in diesen Strukturen gewährleistet. Natürlich, das wissen alle, ist das natürlich dann ein Spannungsfeld mit den Bischöfen. Der Nachteil dieses Ganzen ist - und da sind wir in der Schweiz am Kämpfen im Moment - dass da die Synodalität oder diese demokratische Tradition oder die Gelichstellung von Frauen aus dem pastoralen Bereich rausgedrängt wird und dass die Bischöfe viel sensibler als früher schauen, dass ihr Zuständigkeitsbereich ja nicht tangiert wird von diesen Entscheidungen. Das ist ein Spannungsfeld, dass bei uns abläuft. Aber ich denke, da wäre schon einmal etwas gewonnen. Also es gäbe schon Möglichkeiten, wo man nicht im innersten Bereich sich bewegt. Ob es möglich ist, dass es eine Disruption gibt, bei der symbolischen Repräsentanz in der Eucharistiefeier und so weiter, das ist ganz schwer zu sagen, wie das verlaufen wird. Man könnte man sich vorstellen, dass einige Bischöfe eines Sprachraums oder eines Kulturraums sagen, wir können das nicht mehr so machen, so wie das von Rom kommt? Ich weiß es nicht.

Adrian Loretan: Aber könnte man da nicht zum Beispiel, jetzt würde ich die Anwesenden Präsidentinnen doch auch etwas kritisch zurückfragen, dass wenn man sagt, im Kirchenrecht steht das so. Das ist ja eine bestimmte Interpretation. Die naturrechtliche Argumentation hat immer gesagt,: wir müssen geltendes Recht immer hinterfragen aufgrund Gerechtigkeitskriterien - das hat die katholische Kirche den anderen Völkern beigebracht. Das kommt ausgerechnet  aus der katholischen Kirche.  Das müssten wir jetzt auf die katholische Kirche anwenden. Wenn die Präsidentinnen der Kirchengemeinden und der Landeskirchen sagen würden, wir sind in unserem Gewissen verpflichtet, die Menschenrechte einzuhalten. Wir können nur die Menschenrechte zusammen mit dem katholischen Recht verbinden. Wir berufen uns auf Paul VI, der das auch so gesehen hat. Das kann man denken und weil das jetzt im augenblicklichen Recht nicht drin ist, heißt das noch lange nicht, dass wir jetzt so weiterfahren wie bisher. Also solange die staatskirchenrechtlichen Strukturen, wo ja Frauen eine wichtige Rolle spielen, nicht mehr Druck aufbauen, denke ich würde ich das etwas weniger positiv sehen. Denn das würde auch die Gemeindeleiterinnen in Leitungspositionen langsam etwas fördern. Denn bisher war es in einigen Bistümern so, dass es immer noch Gemeindeleitungsfunktionen für Frauen, das machen wir nicht . Das ist ja nur bei Priestermangel und das machen wir nicht. 

Christiane Florin: Ja, weil jetzt schon so viele Fragen aus dem Publikum kommen, möchte ich nur noch eine in Ihre Runde stellen. Geschlecht gehört ja, wie Sexualität auch, zu den großen Identitätsthemen, über die im Moment sehr kontrovers, ja, auch ideologisch diskutiert, gestritten wird. Vorhin viel das Wort von der Spaltung. Mein Eindruck ist ja, je mehr Gleichberechtigung sich in modernen Gesellschaften durchsetzt, desto mehr inszeniert sich die katholische Kirche als Gleichberechtigungsverweigerin. Also da oben auf dem Berg und irgendwie weit abgehoben von der Realität. 

Also ist nicht Diskriminierung auch eine Art Markenkern? Das kann ja auch verführerisch sein, dass man sagt, hier bei uns da können die Jungs ungestört unter sich bleiben. Ist das nicht auch ein Geschäftsmodell, Herr Brüntrup?

Godehard Brüntrup: Ja, das könnte ein Geschäftsmodell sein. Aber wenn das aus einem Machtstreben heraus geschehen würde, um aus einem Machtstreben heraus bestimmte, überkommene gesellschaftliche Strukturen zu erhalten, dann ist das in jeder Beziehung unsittlich, unmoralisch. Auch gegen die Botschaft Jesu. Es wäre eine Selbstzerstörung der Kirche. Also nur um jetzt einen Jungsverein oder ein Männerbündnis zu erhalten und dann auch Leute zu finden, die da gerne mitmachen, so wie eine Art Verbindung die keine Frauen aufnimmt, das würde ja das Wesen der Kirche in einer Weise karikieren, dass man da nicht mehr Mitglied sein wollte. 

Christiane Florin: Kommt es denn nicht aus einem Machtstreben heraus?

Godehard Brüntrup: Ja, also im Selbstverständnis, das ist ja so eine, natürlich spielt da eine Machtkomponente eine Rolle und eine Gerechtigkeitskomponente spielt da eine Rolle. Aber im Selbstverständnis, wie ich es versucht habe darzulegen, gibt es natürlich eine Auffassung der Leute, dass es hier nicht um reinen Machterhalt geht, sondern dass man einem Ursprung, einer Stifterpersönlichkeit treu bleibt. Es geht eher um eine Art Treue. Ob das ein Selbstbetrug ist, der im Grunde nur Machtverhältnisse zementiert und eine Art Lebenslüge ist, ist nochmal eine andere Frage. Aber es ist nicht in einem platten Sinne, dass jemand hier eintritt, weil er so gerne einem Männerbund beitritt. Das wäre zu primitiv. Also wenn wir dahin kämen, wäre es noch viel schlimmer, als es jetzt schon ist. Das will ich damit sagen. Jetzt ist es komplizierter, sublimer. Ich glaube, dass niemand der in die Kirche, der Priester wird, nur weil er gerne in einem Männerbündnis sein wird,  auf die Dauer mit den Schwierigkeiten des Priesterberufes und den ganzen Krisen, die man da durchsteht. Wenn die ganze Belohnung dafür nur sei, ich bin Mitglied eines Männerbundes, ich glaube das würde kaum einer aushalten. Also das Problem liegt leider etwas tiefer als auf einer so, obwohl das sicher eine Rolle auch spielt. Aber es ist mehr als das. Das will ich sagen. Ohne dass ich dem anderen, was das mehr ist inhaltlich auch zustimme. Aber es ist mehr als dieses rein männerbündnerisch.

Christiane Florin: Wir haben jetzt sehr viele Fragen im Chat. Maria Mesrian bündelt die jetzt etwas, weil ich die nicht sehen kann. Ich sehe nur, dass da immer was aufploppt. 

Maria Mesrian: Ja, also wir haben viele Kommentare, viele engagierte Kommentare. Eine Frage ist einfach, also auch aus meiner Sicht: ich glaube, dass die kleinen Schritte einfach zu wenig sind und stimme da dem Herrn Brüntrup bei, dass wir nicht mehr viel Zeit haben. Wie schätzt man denn, ist jetzt auch eine Frage, wenn man denn die großen Schritte sieht, die Möglichkeit eines Konzils in dieser Frage ein?

Adrian Loretan: Ja, weltweit gesehen kommen wir da an Schwierigkeiten. Ich würde sowieso sagen, wenn wir da eine Änderung herbeiführen, würde ich eher den Weg vorschlagen, den der Franziskus antönt. Das Ganze müssen wir dezentralisieren. Als ich in Indien war habe ich, irgendwie gesehen, also diese Frauenfrage, die kommt so schnell nicht voran. Aber wenn wir das dezentralisieren können, wie zum Beispiel die verheirateten Diakone. Da können ja auch die Bischofskonferenzen entscheiden. Obwohl, aus reiner Gerechtigkeitsperspektive würde ich auch drängender sagen, das muss schneller gehen. Aber ich denke, wenn wir es mal dezentralisieren können, das heißt, Kulturkreise entscheiden - die USA Amerikaner, die Westeuropäer entscheiden - , dass sie diesen Schritt machen. Dann sehe ich da eher Fortschritte. Aber wir müssen, deshalb bin ich für die kleinen Schritte, jetzt schon sehen, dass wir Frauen in die Leitungspositionen nach geltendem Recht bringen und das geltende Recht wirklich breitesten interpretieren. So dass es jetzt schon funktioniert. Und dann können wir natürlich sagen, aber die Frauen müssen ja geweiht werden, klar okay. Aber das da ein Veränderungsprozess passiert. Wenn ich jetzt in der Rolle stehe, junge Frauen, junge Männer zu motivieren, überhaupt in dieser Kirche zu arbeiten, dann ist klar, ohne grundrechtliche durchsetzbare Ebenen ist das je länger je schwieriger. Eine Frau sagte mir letztes Mal im Seminar, ja, aber ich meine, es ist ja unethisch in dieser Institution zu arbeiten. Was soll ich dazu sagen? Das kann man schon so sehen, ja. 

Christiane Florin: Aber wenn die Hierarchie das nicht so sieht? Wenn die sagt, das geht eben, das ist eben eine andere Wahrheit und sie müssen einfach nur vertiefter glauben. Dann finden Sie das nicht mehr unethisch? Das ist ja die Diskussion, die nun schon seit 50 Jahren läuft und bei der die kleinen Schritte ja so gar nichts gebracht haben. Daniel Bogner, der ja jetzt nicht da ist, schreibt ja in seinem Buch zum Beispiel, die Pastoralreferentin, das war eigentlich eine Sackgasse, dieser Beruf. Das hat eigentlich die Mauer zu der vollständigen Gleichberechtigung zu allen Ämtern noch viel höher gezogen. Weil man dann sagen kann, naja, ihr habt doch da ein Amt. Jetzt seid doch mal still, Frauen, seid doch mal zufrieden, hört doch mal auf. 

Adrian Loretan: Ja, das würde ich aus schweizerischer Sicht, obwohl Daniel Bogner ja in der Schweiz lebt, nicht so sehen. Weil ich habe die Gutachten für die Bischöfe geschrieben, die in Deutschland abgelehnt wurden, dass Frauen taufen, dass Frauen Beerdigungsgottesdienste feiern, alles nach geltendem Recht. Das hat schon Veränderungspotential gehabt. Ein alter Pfarrer, den ich selber erlebt habe, der ist nachher zu dieser Frau hingegangen und hat gesagt, können sie mir diesen Text der Beerdigung geben. Der war ja wirklich sehr interessant!  Ein Bischof eines Bistums, das sehr konservativ ist, hatte die Mutter des Generalvikars zu beerdigen. Da hat der Generalvikar gesagt, also da predige ich nicht an dieser Beerdigung und hat eine Pastoralreferentin predigen lassen. Der Bischof, er war dann kurz vor dem Abtreten, hat dann gesagt, er hätte selten eine so gute Predigt zur Beerdigung gehört. Das hat der Bischof am Schluss gesagt. Also das Erleben von selbst ganz konservativen Bischöfen von Frauen in Ämtern, das ist schon einmal was anders. Wenn sie das nicht erleben, nur theoretisch, drum denke ich, dass diese Schritte und diese Schritte müssen gestützt werden. Natürlich kann das nicht genügen. Das ist ja keine Frage. Darum ist ja Ihre Frage völlig berechtigt. Grundrechte müssen gefordert werden. 

Christiane Florin: Aber der Bischof war kurz vor dem Abtreten? Habe ich richtig verstanden? 

Adrian Loretan: Dann konnte er ehrlich reden, wie er wirklich denkt.

Christiane Florin : Das ist ja auch ein beliebter Zeitpunkt, kurz bevor man geht, wird man nochmal mutig in der Frauenfrage.

Christiane Florin: Ich würde aber jetzt gerne noch Fragen vom Auditorium in die Männerrunde geben.

Daniel Kosch:  Sie haben eine wichtige Frage gestellt, worüber man sich profiliert als Religionsgemeinschaft, oder? Ich glaube, darüber geht ja die Diskussion in der katholischen Kirche. Die ist ja in Deutschland und in der Schweiz voll im Gang. Im Taschenformat ähnlich, worüber profilieren wir uns in unserer Zeit? Profilieren wir uns etwas polemisch gesagt über unsere sekundären Geschlechtsmerkmale? Oder profilieren wir uns über unsere Botschaft, über unser Engagement, über die Menschenrechte, für die wir auch in der Kirche einstehen. Das ist ein politischer Kampf, der im Moment abläuft. Ich denke, da muss das Stichwort Macht, kann da nicht fehlen in der Diskussion. Es stellt sich jetzt wirklich die Frage, denke ich, wenn ich an den synodalen Weg denke ich Deutschland aber auch bei uns, wird es gelingen, die Gruppe zu verstärken die sagt, unabhängig von Schritten, nicht Schritten, wir halten nicht locker? Wir halten an unseren Positionen fest und lassen uns nicht vertreiben oder lassen uns nicht das kleinreden, sondern gehen weiter.? Aber ich meine, der Präsident unserer Schweizer Bischofskonferenz hat gesagt, als „Queridia Amazonia“ rauskam, wo es ja wieder dieses Frauenbild drin hat, das kann ich heute in der Schweiz nicht mehr verkaufen. Ich denke, das hätte man noch viel stärker, muss man in Erinnerung rufen, dass es einen ganz großen Teil gibt in der katholischen Kirche, die diese Plausibilität längst verloren hat, längst. Das ist wirklich ein Rückzugsgefecht, dass da gegangen wird. Aber es ist machtpolitisch gesehen ein Problem, dass die römische Kirchenleitung bleibt nicht abhängig davon ist, wie viele Leute bei uns aus der Kirche austreten. Das kann dem Pabst eigentlich egal sein. Das ist eine Schwierigkeit.

Christiane Florin: Das ist auch der Unterscheid zu dem Zusammenbruch in der DDR oder in der Sowjetunion. Dass man der Kirche eben weniger Druck von unten aufbauen kann und es dann eben zu diesem disruptiven Ereignis kommt. Maria, hast Du noch weitere Fragen aus dem Chat?

Maria Mesrian: Ja, ich habe eine Frage von einer Teilnehmerin, von der Veronika Jehle. Die würde gerne in die Runde der Männer fragen, wie können Frauen denn den Druck erhöhen? Was die Männer davon halten würden, wenn die Frauen einfach streiken würden? Also haben wir ja auch schonmal gemacht. 

Adrian Loretan:  Dazu würde ich mich gerne melden. Recht entsteht nicht durch die Autorität. Das ist ein autoritäres Rechtsverständnis, das Thomas Hobbes gelehrt hat. Aber Recht im modernen Sinn entsteht dadurch, dass jemand seine Würde wahrnimmt und die damit verbundenen Rechte auch einsetzt. Dass jemand streikt, das ist ein Recht, das mit der Würde der Person zusammenhängt. Wenn es einen Streik gebe, ich erinnere mich, dass bei einem Dies academicus einmal die Frauen alle hintangestanden sind und gesagt haben, wir gehören gar nicht in den Kirchenraum. Wir werden ja hier diskriminiert. Das war mindestens ein Zeichen, das man wahrgenommen hat. Aber da nehmen Personen war, sie sind in ihren Rechten diskriminiert. Also Streik ist sicher ein mögliches Zeichen. Auch das man zum Beispiel bei einer Priesterweihe, wo es ja um die Machtübergabe geht auch Zeichen setzt. Neue Zeichen setzt, dass die Katholiken wahrnehmen, da gibt es Leute, die sehen die Machtübergabe anders als durch göttliche Machtübertragung. Also, dass die Essenz übertragen wird, die dann die Macht anders verteilt und so. Ich denke, Streiks, das sind wichtige Elemente. Da würde man die Katholische Kirche auch in den Medien anders wahrnehmen. Da gibt es verschiedene Katholizismen. Aber solange man die Katholische Kirche wahrnimmt als ein Block, wo alles klar ist und von Gott gegeben. Dass man eben diese Auseinandersetzungen, die wir hier gehört haben, die muss man auch wahrnehmen. Die müssen auch Journalisten und Journalistinnen nach außen tragen.

Godehart Brüntrup: Dem würde ich auch zustimmen. Es braucht sicher Aktionen, die hat es ja auch in letzter Zeit schon gegeben. Es sind ja jetzt unter den Zuschauerinnen und Zuhörerinnen schon viele, die da schon großes geleistet haben. Es braucht diese sichtbaren Aktionen. Streik ist vielleicht eine Form. Aber es gibt vielleicht auch noch andere, wo mir gerade die Kreativität fehlt, die jetzt auszudenken. Aber die Sichtbarkeit in die Kirche hinein und auch über die Kirche hinaus, in die gesellschaftliche Debatte, dass das für uns ein Problem ist und das wir uns dieser Frage stellen, die muss gewährleistet werden. Deshalb würde ich solche Aktionen von meiner Seite aus nur ermutigen und für gut halten.

Christiane Florin: Aber die Logführergewerkschaft, die streikt ja. Erstmal streikt sie, wenn der allergrößte Zugverkehr zu erwarten ist, in der Rushhour und die streikt auch so lange, bis sie ihre Ziele erreicht hat. Sind katholische Frauen noch zu brav, weil sie zum Beispiel rücksichtsvoll streiken? Also dann, wenn es am wenigsten, vielleicht so Kollateralschäden verursacht. Müssten die jahrelang streiken? 

Adrian Loreatan: Nein, bei den wichtigen Ereignissen müssen sie streiken. Wie zum Beispiel einer Priesterweihe. Weil, das ist das Heiligste vom Heiligen. Dann wird thematisiert, dass da Frauen diskriminiert werden. In der Schweiz hatten wir ja die Beauftragung zu Pastoralreferentinnen und die Priesterweihe zusammen. Dann hat immer wieder der anwesende, zuständige Pfarrer, der hat gesagt, dass er eigentlich nicht versteht, wieso die Frauen nicht auch geweiht werden. Das war der Grund, wieso man nachher die auseinandergenommen hat. Also die anwesenden Pfarrer haben vor dem Bischof häufig gesagt, ich verstehe das gar nicht, wieso werden die einen geweiht und die anderen nicht geweiht. 

Christiane Florin: In Deutschland, in Freiburg haben ja Frauen am Rande einer Bischofsweihe protestiert und danach hat ihnen der Bischof ein rotes Wollknäul geschenkt, damit der Gesprächsfaden nicht abreisst. Also moderne Bischöfe sind ja auf sowas schon vorbereitet. Aber ob Frauen Wollknäule geschenkt bekommen wollen, weiß ich jetzt auch nicht. Also ich möchte keinen. Aber ja, weitere Fragen aus dem Chat. 

Maria Mesrian: Aus dem Chat noch von Burkhard Hose, wie könnte denn eine ausgesprochene Männersolidarität beziehungsweise eine Kleriker Solidarität mit den diskriminierten Frauen konkret aussehen? 

Klaus Pfeffer: Genau. Ja, wie sieht die Solidarität aus? Also ich kann jetzt nur für mich sprechen, diese Anliegen einfach tatkräftig zu unterstützen. Wir haben in unserem Bistum natürlich auch die Bewegung Maria 2.0. Es gab auch in der Aktionswoche hier Aktivitäten, die wir auch verbal und mit Präsenz unterstützt haben, um eben nicht dann solche Dinge zu unterdrücken oder rote Wollknäule zu verschenken oder ähnliches. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, wir reden immer von den katholischen Frauen. Also ich glaube, die katholischen Frauen gibt es ja nicht. Ich habe zumindest bei der Maria zwei Punkt null Debatte innerhalb unseres Bistums erlebt, dass das auch zu Zerreisproben innerhalb von Gemeinden führte, weil es eben auch die Frauen gibt, die da eine andere Position vertreten. Und dass es da, gerade in einer Gemeinde erinnere ich mich gut dran zu richtigen Auseinadersetzungen kam). Ganz richtig und wichtig, dass wir über die Frauenfrage hinaus in der katholischen Kirche mal richtig ins Streiten kommen und dass wir uns auch wirklich kloppen um die entscheidenden Fragen. Das ist für mich der Wert des synodalen Weges. Weil, das war noch vor ein paar Jahrzehnten undenkbar. Das lief alles immer ein bisschen tabuisiert unter der Oberfläche und jetzt wird mal offiziell gestritten. Da können, glaube ich solche Zeichen, ob es ein Streik oder andere Dinge sind nur weiter bei helfen. Ich kann es von meiner Seite nur auch immer wieder unterstützen und dem auch Raum geben. 

Daniel Kosch: Ich denke, das Streiken ist eine Form. Das andere ist ja Räume auch positiv zu besetzen. Und da komme ich natürlich wieder mit meinen spezifisch schweizerischen Erfahrungen. Wenn ich mir vorstelle, dass unsere Behörden, die ja demokratisch verfasst sind und bei denen die Frauen volle Mitsprache haben, wirklich zu mindestens 50 Prozent aus Frauen bestehen. Und dass die zum Beispiel bei Anstellungen, wenn es darum geht, wer kommt jetzt als nächster Priester oder Gemeindeleiter oder Gemeindeleiterin in die Pfarrei, wer wird da ausgewählt. Da ist es und da gebe ich Herrn Pfeffer leider recht, da ist es oft so, dass diese Gremien selber einen Priester bevorzugen, von dem sie schon vermuten müssen, dass es Probleme mit ihm geben wird und sagen, wir nehmen doch lieber den als die Laiin. Weil da haben wir dann die Eucharistie und, und. Quasi zu sagen, wir hungern lieber eucharistisch und sind dafür pastoral satt als umgekehrt, wäre eine andere Haltung. Also da gäbe es viele Möglichkeiten. Ich erlebe viel, dass also Frauen und Männer sehr zurückhaltend sind, wenn die klerikale Autorität ein bisschen auftrumpft. Ich habe das schon mehrfach erlebt in Gremien, wenn man vorher drüber spricht, was man dann dem Herrn Bischof sagen will, klingt das ganz anders, als wenn dann der Herr Bischof tatsächlich im Raum ist. Das finde ich auch, muss ich sagen, das bedauere ich sehr, dass wir das nicht geschafft haben in der Schweiz bis jetzt einen synodalen Weg in Gang zu setzen. Das hat mich wirklich bei der ersten Versammlung sehr beeindruckt, dass es dort nicht so gelaufen ist. Sondern die Bischöfe mussten sich alphabetisch da einordnen und mussten sich allerlei anhören und das war super. 

Adrian Loretan: Ja, ich würde zur Kleriker Solidarität auch noch sagen, ich habe einige Pfarrer erlebt, die gesagt haben, wir übernehmen zusammen mit der Pastoralreferentin auch die Leitung der Pfarrei. Das ist strikt nach kanonischem Recht etwas weit interpretiert. Aber eben, wenn sie naturrechtlich bzw. menschenrechtlich argumentieren geht das. Viele lesen das Kirchenrecht wie ein Biblizist,. Da steht es, der Mann ist das Haupt der Familie, darum muss das so sein, Epheser fünf 32 Punkt. Heute würde keiner mehr die Bibel so lesen. Aber das Kirchenrecht lesen sie immer noch so. Das heißt, man muss doch auch die Rechttexte, rechtsphilosophisch mitbedenken und sagen, Grundrechte dürfen wir nicht mehr verletzten. Es gibt auch einige Kleriker, die sagen, ich würde gerne mit meiner Pastoralreferentin, am Anfang, wenn sie ganz jung ist vielleicht nicht, aber in einer späteren Phase, das gemeinsam zu übernehmen. Da gibt es erste Ansätze. Da könnten auch die staatskirchenrechtlichen Gremien in der Schweiz dies einfordern. Das sie eben sagen, wir sind nur bereit, natürlich nicht die Priesterweihe einfordern, darum geht es-. Das ist nicht das Ding. Aber dass sie sagen, die Jurisdiktion, das heißt, die Leitungsvollmacht, die wird hier geteilt. Da haben wir ja Ansätze dazu und auch eine Praxis. Auch sogar in Deutschland kommt jetzt langsam diese Praxis von Kanon 517 Paragraf zwei. Also Gemeindeleiterinnen in Leitungsfunktionen, das kommt in einzelnen Bistümern langsam durch. Aus dem Hintergrund könnte man ja eben auch sagen, dort wo ein Pfarrer mit einer Theologin zusammenarbeitet, könnten ja auch gemeinsame Verantwortung übernommen werden. Oder gemeinsam diese Verantwortung teilen, sagen wir mal so. 

Christoane Florin: Da sind wir ja jetzt wieder bei den kleinen Schritten. Wenn ich mir vorstelle, 1949 hätte nicht im Grundgesetz gestanden Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Nur dieser schlichte Satz. Dann wäre ja auch danach nicht das bürgerliche Recht geändert worden. Dann wäre auch im Alltag nicht, hat natürlich nicht Punkt 49 angefangen mit der Gleichberechtigung, sondern es hat noch eine ganze Weile gedauert. Aber ohne diese theoretische Grundlage oder rechtliche Grundlage, wäre es doch auch nie zu einer gesellschaftlichen Gleichberechtigung gekommen. Also es bleibt doch die Frage, wie kann man, wie kann die Kirche oder wie können Reformer in der Kirche glauben, nur mit diesen pragmatischen Schritten, ohne dass dieser einfache Satz, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, ließe sich diese Ungleichbehandlung, diese Diskriminierung abschaffen. 

Klaus Pfeffer: Ich bezweifle, dass das nur an diesem einen Satz im Grundgesetz gelegen hat. Sondern ich glaube, diese gesellschaftlichen Veränderungen haben einfach damit zu tun, dass ganz andere Generationen nachgewachsen sind. Dass es einen gewaltigen Wandel in den 68gern gab. Und ein Aufräumen dieser Generation mit ihrer eigenen Elterngeneration. Es könnte sein, dass wir im Moment in der katholischen Kirche eine solche Phase erleben. Dass da Generationen, oder ich will nicht sagen Generationen wachsen, aber im Moment eine Bewegung ist, wo auch innerkirchlich ja wirklich aufgeräumt wird. Das ist die Auseinandersetzung, die wir nach dem Missbrauchsskandal in Deutschland und in einigen anderen Ländern führen. Oder was sich im Moment in der polnischen Kirche bewegt. Ich hörte von Leuten, die sich da noch ein bisschen besser auskennen, dass das was da im Moment gerade passiert zu einer Inklusion der polnischen Kirche führen kann. Es hat glaube ich viel damit zu tun, ob sich eine Kraft, eine Bewegung entwickelt von Menschen, die tatsächlich merken, so geht es nicht mehr und es auch laut aussprechen. Ich glaube, das ist das entscheidende, was sich in den letzten Jahren so nach dem Wechsel zu Franziskus eben in der katholischen Kirche verändert hat. Dass diese Maulkörbe, diese Tabuisierungen von Diskussionen, Streit und Auseinandersetzungen aufbrechen. Dass wir Bischofskonferenzen erleben, die sich öffentlich zerstreiten. Die wirklich, wo man deutlich mitkriegt, die brechen auch auseinander. Das hat es vorher nie gegeben. Das ist für mich oder das macht mir zumindest Mut darauf zu setzen, es wird eine Veränderung geben und die Realität wird auch in den kommenden Jahren so rasend schnell über die Kirche hinwegfegen. Also vieles wird nicht mehr zu halten sein. Es wird gar nicht mehr die Männer geben, die alle Priester werden. Das erleben wir ja jetzt schon. 

Godehard Brüntrup: Also was die Frage angeht, was können wir hier tun als die Männer. Da muss man zum einen sagen, dass die Kirche ja eine Monarchie ist, eine monarchische Struktur hat. So dass von den angeblich mächtigen Männern sehr viele in den wirklich entscheidenden Fragen auch nichts zu sagen haben. Sondern die Macht bei ganz wenigen liegt. Das würde ich für mich zum Beispiel in Anspruch nehmen. Ich gehöre natürlich in gewisser Weise als geweihter Priester zu dieser Machtelite. Aber defacto ist meine Macht gegen null. 

Christiane Florin: Aber wer sind denn die mächtigen Männer? Der Papst sagt ja auch immer, er hat eigentlich keine Macht und er macht ja auch tatsächlich nicht so viel. 

Godehard Brüntrup: Mit einem Federstrich hier vieles ändern.

Christiane Florin: Aber er tut es ja nicht.

Godehard Brüntrup Ein Konzil von Bischöfen kann das auch. Aber jeder kann an seinem Ort etwas ändern. Also ich kann zum Beispiel als katholischer Intellektueller an diesem Kirchenbild arbeiten, das fundamental von der Vorstellung bestimmt ist, dass die Kirche ein bestimmtes Depositum, eine bestimmte unveränderliche Lehre einfach durch die Zeit hindurchzureichen hat und die Lehrentwicklung, das Verständnis von Inkarnation, vom Weiheamt nicht selbst einer geschichtlichen Entwicklung unterlegen sei. Wenn wir dieses mehr prozesshafte Denken entwickeln würden, mehr, das wäre ein Beitrag von Theologinnen, Theologen, da könnten wir schon etwas tun. Aber die Macht der einzelnen, gerade so der intellektuellen Zunft, die hier auch vertreten ist, die ist tatsächlich auch nicht so groß. Wir können Ideen in die Welt werfen, aber die Ideen alleine schaffen noch keine Veränderung.

Christiane Florin: Haben Sie denn trotzdem noch die Hoffnung, dass sich das bessere Argument durchsetzt? Dass es überhaupt auf Argumentation ankommt? Oder ist mehr Ideologie statt Theologie, speziell jetzt in dieser Frage?

Godehard Brüntrup: Ich persönlich, ich habe durchaus die Hoffnung, dass ich, dass hier die Theologie und die philosophische Reflektion auf die Dauer in der Kirche schon einen Unterschied machen kann. Wobei das Prozesse sind, die eben nicht einfach in 20, 30 Jahren sich vollziehen. Also die Diskussion, die wir jetzt führen in der katholischen Kirche, wo auch Bischöfe sich äußern zu Fragen dem Diakonat der Frau und gar Priestertum der Frau, wären vor zwanzig Jahren in der Weise nach meiner Erfahrung, nach meiner Lebenserfahrung undenkbar gewesen. Also wir haben hier schon für katholische Verhältnisse relativ schnell einen, innerhalb von einer Generation,  einen Wandel erlebt. Von daher bin ich nicht völlig pessimistisch. Ich sage aber gleichzeitig, dass dieser Wandel disruptiv sein wird. Der wird nicht einfach organisch evolutionär sein. Hier wird es zu Verwerfungen kommen und zu sehr schwierigen Prozessen. Weil anders ist das nicht, die Meinungsunterschiede sind zu groß, als dass man hier schnelle Kompromisse finden könnte.

Christiane Florin: Herr Loretan, ja?

Adrian Loretan: Ich würde Ihren Vorschlag gerne aufnehmen. In unserer Verfassung heißt der Satz eben, niemand darf diskriminiert werden. Also kein Mensch. Kein Schwarzer, keine Frau, kein Alter und so weiter. Ich denke, Herr Jesuit, Herr Brüntrup hat theologische und philosophische Argumente gesagt. Ich würde tatsächlich sagen, es braucht auch rechtswissenschaftliche Argumente. Diese menschenrechtliche Argumentation in der Kirche, niemand darf diskriminiert werden. Was ich eingangs gesagt habe, was das Konzil formuliert hat, das Lehramt. Ich sage Bischöfen immer, niemand darf bei uns diskriminiert werden. Das ist Lehramt der katholischen Kirche. Aber es ist nicht rechtlich übersetzt. Deshalb müssen diese Lehramtstexte rechtlich formuliert werden. Ich meine, in der katholischen Kirche haben viele noch ein Rechtsbild, völlig autoritär und darum sagen sie ja, das Recht das wollen wir lieber rechts liegen lassen. Das ist was für-. Ihr Satz, den Sie formuliert haben, niemand darf diskriminiert werden, das zeigt ja, dass Grundrechte moderne Gesellschaften total auf den Kopf gestellt haben und erst die modernen Entwicklungen angelegt haben. Aber in der katholischen Kirche denkt niemand an das, weil man Recht, das ist doch was für Konservative, wer sich noch an das Recht hält, der ist doch von gestern. Das ist natürlich ein Rechtsbruch, dass man nicht denkt, Recht ist eigentlich, geht auch von der Würde der menschlichen Person aus und Menschenrechte müssen eingeklagt werden und in der Lex Ecclesiae fundamentalis, in diesem Grundgesetz, hatten wir diesen Gedanken eigentlich im Ansatz schonmal drin. Ein Papst, ich sage, das ist schonmal Lehramt gewesen. Aber er hat es dummerweise nicht publiziert. Da müssen wir zurück. 

Christiane Florin: Die Diskriminierung wird ja wegdefiniert. Die wird ja zu einer subjektiven Befindlichkeitsstörung der Frau erklärt. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz sagte eben letztens in einem Interview, hat das Wort Diskriminierung natürlich nicht über die Lippen gebracht, sondern wir haben über eine Ungerechtigkeitsempfindensminderung gesprochen. Das ist ja was völlig anderes. Da wird eben ein objektiver Zustand zum subjektiven Empfinden der Frau umgewandelt. Maria, haben wir noch Fragen aus dem Chat? Sonst würde ich meine letzte Frage an Sie alle vier stellen. 

Christiane Florin: Alles geklärt? Ja, die Frage ist ja jetzt unvermeidlich, weil ich immer denke, das gilt jetzt für Männer und Frauen, aber jetzt mal auch für die Frauen speziell. Man hat ja nur ein Leben und wenn ich an Ida Raming denke, die ist eine sehr frühe Vorkämpferin der Gleichberechtigung gewesen, hat ihre Dissertation Ende der sechziger Jahre geschrieben. Dann auf dem Donauschiff sich weihen lassen zur Priesterin. Die ist jetzt mittlerweile über 80. Gleiche Würde, gleiche Rechte, wann wird das sein?

Adrian Loretan: Sobald man in der katholischen Kirche wieder zum alten Naturrecht oder beziehungsweise zu rechtsphilosophischen Grundlagen zurückkehrt. Nämlich, dass man sagen würde, gleiche Würde, gleiche Rechte, das ist in allen Rechtsstaaten der Fall. Dort wo es nicht der Fall ist, katholische Kirche oder Saudi-Arabien, das sind Unrechtsstaaten Punkt. 

Christiane Florin: Können Sie eine Jahreszahl nennen?

Adrian Loretan: Ich würde sagen, die jetzige Generation muss das einbringen mit Strikes auf oben auf der Ebene, auf verschiedenen Ebenen. Ich meine, wie vorher schon gesagt wurde, dass der Präsident der deutschen Bischofskonferenz und andere sagen, wir können uns eine, dass da Veränderungen passieren, da muss ein gewisser Druck aufgebaut werden. Dieser Druck kommt argumentativ. Das sehe ich auch so.

Christiane Florin: Also in meiner durchschnittlichen Lebenserwartung kriege ich das noch mit? So innerhalb von 20, 30 Jahren kommt das noch, meinen Sie?

Adrian Loretan: Ich, für mich ist die Gleichstellung nicht einfach nur die Priesterweihe. Sondern zuerst mal gleiche Rechte auf allen Ebenen und die Priesterweihe ist natürlich dann auch eine, weil da ist die.... Aber jetzt redet ja zum Beispiel sogar Franziskus davon, dass er gleiche Rechte auch für die Frauen brauchen. Das redet das Lehramt, in Evangeli Gaudium redet er davon und dass wir das so bewerkstelligen, dass wir Weihe und Amt, Weihe und Jurisdiktion trennen. Das ist natürlich ein kleiner Vorschlag, ein Vorschlag der kleinen Schritte. Aber das ist ein wichtiger Zwischenschritt und diesen Zwischenschritt, den müssen wir jetzt zuerst mal durchführen auf allen Ebenen und eben in den Diskussionen mit den Gegnern das Lehramt zitieren und sagen, da in Evangeli Gaudium steht das ja. Die Priester sollen nicht meinen, dass sie mit der Weihevollmacht immer auch die Machtvollmacht haben. Wort des Franziskus, das muss man zitieren. Das heißt, wir brauchen eben trotzdem diese Schritte, um nachher zu sagen, gleiche Würde gleich gleiche Rechte. Das gilt in allen Rechtsstaaten, Punkt. Die Kirche war einmal Vorbild, rechtsstaatliches Vorbild der Westeuropäer. Das sagt jetzt Jürgen Habermas, der Lutheraner in zwei Bänden Rechtsphilosophie.

Christiane Florin: Jetzt die Frage an die anderen in der Runde. Wann wird das so sein, gleiche Würde, gleiche Rechte? Wieviel Jahre, Jahrzehnte braucht das noch?

Godehard Brüntrup: Also ich kann natürlich keine, bin kein Prophet, der hier Jahrzehnte im Voraus Ereignisse vorhersagen kann. Ich sitze hier etwa acht Meter, zehn Meter hier auf meiner linken Seite vom Büro von Karl Rahner, wo er lange Jahre gewirkt hat. Ich habe angefangen, als wir das Gespräch begannen, mit einem Zitat von ihm, das sinngemäß etwa so ging, dass vor 40 Jahren gesagt, dass die katholische Kirche 100 Jahre Zeit hat, diese Frage zu lösen, oder die katholische Kirche in ihrer Existenz gefährdet sei. Das ist sinngemäß. Ich habe das genaue Zitat nicht mehr. Ich glaube, dass das eine weise Aussage war. Und die Uhr tickt, fast die Hälfte der Zeit ist schon vorbei und es ist noch relativ wenig passiert. In dieser Frage muss bei uns allen, weil es eine Überlebensfrage der Kirche ist, ein enormes Gefühl der Dringlichkeit und des Drängens da sein. Dann wird sich auch was tun. Auf Jahreszahlen verstehen Sie bitte, kann ich mich da nicht festlegen. 

Christiane Florin: Herr Kosch?

Daniel Kosch: Also ich würde sagen, zuerst einmal, wenn ich das von Gott her anschaue, dann ist das schon da. Die  gleiche Würde und die gleichen Rechte sind eigentlich da. Es ist aber etwas ähnliches, wie mit dem Reich Gottes, wo wir das ja auch haben. Dein Reich komme, wie im Himmel so auf Erden. Wir wissen, dass es auf Erden noch nicht da ist. Auf Erden ist es ein Kampf. Wir haben heute ganz viele in der Schweiz, wieder mal eine Abstimmung verloren mit 51 Prozent zu 49. Ich sage, in der Kirche wird dieser Kampf wahrscheinlich noch lange dauern. Ich hoffe es natürlich, dass Karl Rahner recht hatte. Aber selbst dann würde ich es zum Beispiel nicht mehr erleben. Ich bin nicht sehr zuversichtlich, ehrlich gesagt, dass diese monarchische Struktur, dass die sich so schnell fundamental verändern wird. Das ist eigentlich die Voraussetzung, dass da etwas passiert. Weil, wir können ja nicht so tun, als wäre diese Frage abgelöst davon, dass das eine Struktur ist, wo eine Person an der Spitze letztlich am Drücker ist und sagen kann, es geht so oder es geht anders. Mit dem ist schlussendlich keine diskriminierungsfreie Kirche zu schaffen. Es braucht dann wirklich eine Rechtsveränderung, die weit über das rausgeht und das ist, ich kann es mir nicht vorstellen, wie das jetzt bewerkstelligt werden kann. Ein Konzil jetzt zu machen, glaube ich, würde der Schuss nach hinten rausgehen. Einfach gesagt. Aber vielleicht gibt es wieder eine Konstellation, wo es sich lohnen würde. Aber das ist im Moment nicht der Fall. 

Christiane Florin: Herr Pfeffer, Sie haben jetzt das letzte Wort. Sie sind jetzt für die Hoffnung zuständig. Nächstes Jahr, also in einem Jahr endet der synodale Weg. Der hat jetzt gerade so ungefähr Halbzeit. Also, gibt es Hoffnung? 

Klaus Pfeffer: Also beim synodalen Weg bin ich etwas zurückhaltend. Da sehe ich noch nicht, wohin das so am Ende führen soll. Was aber die Ursprungsfrage angeht, gleiche Rechte und gleiche Würde, grundsätzlich glaube ich wird das ein Dauerthema bleiben. Es ist ja auch in der Gesellschaft nicht so, dass das alles jetzt irgendwie in Vollendung da wäre. Wenn wir es aber in der katholischen Kirche jetzt an der Amtsfrage festmachen und das hat sich ja heute Abend gezeigt, dass wir das sehr weit, meist, immer wieder tun. Dann habe ich da auch eine gewisse Skepsis, ob das zu meinen Lebzeiten noch zu einer Vollendung kommt, weil da nehme ich im Moment gesamtkirchlich noch wahr, dass es ja immer noch eine breite Front gibt, für die das irgendwie undenkbar ist. Umso wichtiger halte ich es, jetzt einfach diese Diskussion und diese Auseinandersetzungen zu führen mit den Argumenten reinzugehen. Und vor allem vielleicht auch grundsätzlich einmal darüber zu sprechen, was ist denn eigentlich die Bedeutung des Amtes in der katholischen Kirche. Ich habe vorhin im Chat gesehen, dass manche so fragten, braucht es überhaupt noch Priestertum und so weiter. Ich glaube, über diese Frage haben wir noch gar nicht gesprochen. Wofür braucht es das eigentlich? Welche Bedeutung hat das denn eigentlich? Und dass sich daraus im Blick auf die Geschlechterfrage vielleicht auch so manches ergeben und lösen wird. Ich glaube, wenn Männer und Frauen, verheiratete, unverheiratete, das Amt bekleiden könnten, würde die Besonderheit auch dieses Amtes etwas verloren gehen. Das wäre vielleicht auch ganz heilsam. Aber ob das in absehbarer kommt, da bin ich sehr skeptisch und wie Brüntrup schon gesagt hat, glaube ich das wird die katholische Kirche in den nächsten Jahren heftig zerreißen. Ob die katholische Kirche so bleibt, wie sie heute ist, auch eins bleibt, manchmal bezweifle ich das angesichts der verhärteten Fronten. 

Christiane Florin: Ja, also die Frauen, diese Zeitgeisterscheinung wahrscheinlich, über die man sich immer wieder den Kopf zerbrechen muss, die lösen das Problem natürlich, indem sie einfach gehen. Wenn die katholische Kirche keine Antwort drauf findet, dann sind die Frauen eben weg und die die Kleriker Kirche, wie wir sie jetzt haben, besteht weiter. Ja, ich danke für die Diskussion und ich danke Ihnen allen, danke an Herrn Brüntrup, danke an Herrn Pfeffer, danke an Herrn Kosch und danke an Herrn Loretan. Und ich gebe nochmal an Chantal Görz zurück. 

Maria Mesrian: Ja, mir ist es zuteil geworden das Schlusswort zu haben. Ich möchte mich auch ganz herzlich bei allen bedanken, die heute Abend dabei waren, an die Mitdiskutanten und natürlich an Christiane Florin. Ich denke, dass wir alle die jetzt heute Abend da waren, auch alle Männer, die da sind, es ging um die Frage der Solidarität, dass wir einfach laut und vernehmbar sein müssen. Es geht ja letztlich um die Botschaft Jesu, weswegen wir hier sitzen. Es geht nicht in erster Linie darum die Kirche zu retten, sondern dass diese Botschaft ihren Raum hat, indem sie sich entfalten kann. Das erleben wir jetzt halt auch gerade in Köln. Die Frauenfrage ist eine Frage. Aber die entscheidende Frage ist auch die nach der Macht und nach der Kontrolle dieser Macht. Ich glaube, da dürfen wir einfach niemals aufhören zu schweigen und müssen immer wieder laut und deutlich Partei ergreifen. Ich glaube, da liegt auch ein Weg, der uns bestimmt weiterführen wird. Dass wir zu dem Unrecht was geschieht in diesen Strukturen nicht mehr schweigen, sondern dass wir laut und vernehmbar sind. Ich denke, ich habe nicht viel Geduld und ich glaube, dass es da schon schnell zu Veränderungen kommen wird. Lasse mich da überraschen. Also vielen Dank Ihnen allen, dass Sie dabei waren. Ich glaube, es ist einfach ein wichtiger Schritt, dass wir uns verbinden, dass wir Netzwerke schaffen und dass wir so das Bewusstsein auch einfach verstärken, dass wir ja alle gemeinsam einen Kampf kämpfen für mehr Gerechtigkeit, der ja im innersten dieser Botschaft auch angelegt ist. In diesem Sinne, ich hoffe Sie haben Lust auf weitere Kaminabende. Wir werden daran weiterarbeiten. Ich wünsche allen einen schönen Abend und eine schöne Adventszeit.

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